UND NOCH EIN WENIG TIEFER
WENN DIE MARINE STABILITÄT INS WANKEN GERÄT
Birte Brunner
7/11/20252 min lesen


Die Ozeane waren immer unser stiller Verbündeter. Sie atmen für uns, speichern unsere Hitze, binden unser CO₂. Sie tragen die ältesten Geschöpfe der Erde in sich und nähren Millionen von Menschen. Und doch behandeln wir sie, als wären sie unerschöpflich – ein Regal voller Ressourcen, das sich von allein wieder auffüllt.
Aber die Regale sind leerer denn je. Überfischung frisst die Vielfalt, noch bevor wir sie überhaupt begreifen. Ganze Bestände kollabieren, weil wir schneller nehmen, als die Natur geben kann. Was zurückbleibt, ist Leere – unsichtbar unter der Oberfläche, aber laut in ihren Folgen: Küstengemeinden verlieren ihre Lebensgrundlagen, Nahrungsketten brechen zusammen, und mit ihnen das Gleichgewicht ganzer Ökosysteme.
Besonders spürbar wird dies an den Spitzen der Nahrungspyramide: den Haien. Sie sind keine Monster, sondern die Architekten mariner Stabilität. Ohne sie geraten Populationen ins Wanken, Algen blühen, Riffe sterben. Seit 1970 sind ihre Bestände um mehr als 70 Prozent eingebrochen. Sie sterben für Suppen, für Flossen, für Märkte, die sie wie Ware behandeln – dabei sind sie die stillen Wächter unserer Ozeane.
Und während wir fischen, zerstören und verschmutzen, treibt der Klimawandel den Druck weiter nach oben. Wärmere Meere zwingen Arten aus ihren Lebensräumen, Korallen bleichen, saurer werdendes Wasser frisst sich sogar durch die Zähne der Haie.
Ganze Lebensräume könnten bis zum Ende des Jahrhunderts verschwinden.
Doch wir sind nicht nur Täter, wir sind auch Beobachter. Social Media verwandelt jede Begegnung mit einem Hai, jede Welle von Plastikmüll in ein virales Bild. Es rührt an unser Gewissen, aber zu oft verhallt es im Strom der Nachrichten, verdrängt von der nächsten Schlagzeile. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung, der Hunger nach Fisch steigt, die industrielle Fischerei drängt an Grenzen, die längst überschritten sind.
Die Frage ist nicht mehr, ob wir handeln müssen. Die Frage ist, ob wir es rechtzeitig tun. Wir können Schutzgebiete ausweiten, nachhaltige Fischerei fördern, Technologien einsetzen, die illegale Fangflotten sichtbar machen. Wir können bewusster konsumieren, Druck auf Politik ausüben, Geschichten erzählen, die nicht nur Ängste bedienen, sondern Empathie und Handlungswillen.
Denn am Ende ist der Ozean kein ferner, blauer Raum. Er ist Teil von uns, und wir sind Teil von ihm. Wenn er stirbt, stirbt nicht nur ein Lebensraum – dann stirbt ein Teil unserer eigenen Zukunft. Die Meere brauchen keine Helden. Sie brauchen Menschen, die verstehen, dass ihr Schicksal und unser Schicksal untrennbar verbunden sind.
WWF: Sharks are key to the health of our oceans and climate (2024)
The Guardian: Sharks deserting coral reefs as oceans heat up (2024); Ocean acidification erodes sharks’ teeth(2025)
Greenpeace Report (2025): Endangered sharks killed at alarming levels in Pacific
Our World in Data: Overfishing and the state of global fish stocks